[FESTIVAL REVIEW] PULS Open Air 2019 (in German)

The 2018 festival season is up and running and we've already managed to sing and dance along to some fantastic bands! The beginning of June saw Germany's PULS Open Air open the heavy gates to Kaltenberg Castle near Munich. The festival, run by a Bavarian radio station, is Germany's answer to the US' SXSW and the UK's Great Escape with a firm focus on newcomers complimented by well-known fan favourites. We were on-site to see the German (and international) new kids on the block.

For the third year running PULS proved to us that castles are a fantastic festival-location, the future of good music is bright and Bavaria is, in fact, pretty cool!

Those of you who understand German can read our review of the festival below. 




In den drei Jahren seit dem Debüt hat sich das PULS Open Air zum festen Termin im Sommer-Festivalkalender entwickelt – beliebt als Ort um neue Künstler*innen zu entdecken und Konzerte bekannter Bands in einer (für ein Festival) doch recht intimen Atmosphäre zu lauschen. Ein weiteres Highlight – und definitiv Alleinstellungsmerkmal des Festivals – ist die Location. Normalerweise für Mittelalterfeste bekannt, wird das Schloss Kaltenberg südlich von München einmal im Jahr zu einer atemberaubenden Festival-Kulisse. Herauskommt: Festival mit Dorf-Flair– im positiven Sinne

Während wir noch in den Erinnerungen an das PULS Indoor Festival im Herbst und MGMTs Headliner-Auftritt schwelgen, starten wir in den diesjährigen Festival-Sommer. Mit dabei: Bands wie Blood Red Shoes, Giant Rooks, Leoniden oder der Party-Armee Kitschkrieg.

Das PULS Open Air öffnet in diesem Jahr die Tore bereits am Donnerstag: Kid Simius leitet das Festival für uns mit seinem unorthodoxen Techno ein.

Am nächsten Morgen startet das PULS Open Air bei strahlendem Sonnenschein in den ersten vollen Tag. 2019 besonders beliebt: Das oversized-Beer-Pong-Spielen, das sportliche Höchstleistungen hervorruft und für eine willkommene Erfrischung sorgt.


2019 hat sich das Booking-Team hinter dem PULS Open Air eine besonders wichtige Aufgabe vorgenommen: Mindestens 50 % der auftretenden Künstler*innen sollten weiblich sein. 2019 zwar längst eigentlich längst überfällig, doch auch in der "ach so modernen, offenen" Musikindustrie keineswegs die Norm. In Bayern setzt man, ebenso wie das Primavera Sound in Barcelona, ein Zeichen.

Eine der Frauen, die das Publikum dieses Jahr begeistern durfte, ist die Wahl-Berlinerin Mine.
Die Schüchternheit, die die Musikerin, zu Beginn ihres Sets auf der Main-Stage, der Kugelbühne, offenbart, legt sich schnell - schon bald springt Mine begeistert über die Bühne und feiert mit den Festivalgänger*innen, die ihre teils sinnliche, teils pumpende Musik feiern.


Auch 2019 wird schnell wieder deutlich: Das PULS-Team möchte etwas anders machen, möchte im Meer aus Festivals positiv herausstechen und einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Ein Workshop zum plastikfreien Leben, ein Gespräch über Intersektionalität in der Musikindustrie und Live-Aufzeichnungen von Podcasts wie dem Puls-Sex-Podcast "Im Namen der Hose" spielen dabei ebenso eine Rolle, wie ein komplett rollstuhlgerechter Zugang zum Festival-Gelände und - bereits unser Highlight aus dem letzten Jahr - die Gebärdensprachen-Dolmetscherin Laura Schwengber, die die Texte der auftretenden Künstler*innen simultan in Gebärdensprache übersetzt.


Beim Puls Open Air sollen alle eine gute Zeit haben. Die Rapperin Nura macht das am besten vor: Vor ihrem Set läuft sie über den Campingplatz, spielt mit Fans eine Runde Flunkyball und tanzt bis tief in die Nacht im "Burghain", dem neuen Club-Floor des Festivals.

Auch bei ihrem Auftritt hat sie sichtlich Spaß: Im mittlerweile aufgelösten Rap-Duo SXTN bekannt geworden, verfolgt Nura nun ihre Solo-Karriere. Mit Erfolg, wie sie beim PULS Open Air unter Beweis stellen kann. Intelligente Anspielungen und die Lust zu provozieren gehören dabei ebenso zu ihrem Repertoire wie derbe Hip-Hop-Texte. Ein Rezept, das aufgeht: Nura gehört auf dem PULS Open Air zu einem der am heftigsten gefeierten Acts. 


Next up: Sind die noch Newcomer? Giant Rooks konnten schon früh die Luft großer Bühnen schnuppern. Als Vorband von Bands wie Kraftklub oder The Temper Trap hat sich die Gruppe aus Hamm - deren Debütalbum noch aussteht - in die Herzen deutscher Indie-Rock-Fans gespielt. Auf dem Schloss Kaltenberg hatten Giant Rooks die große Bühne dann endlich für sich. Und genossen es offensichtlich. In der Nachmittagssonne bespielten sie auf der Kugelbühne eine crowdsurfende, Seifenblasen-schießende und tanzende Menge. Dass sich die Band auf der Main-Stage wohlfühlt, ist von Sekunde Eins klar. Insbesondere Sänger Frederik Rabe kann sich das Grinsen nicht verkneifen, betont immer wieder, wie dankbar er ist, oben stehen zu dürfen. Man nimmt es ihm ab und so werden die ohnehin schon sympathisch wirkenden Jungs aus NRW gleich noch sympathischer.




















Wenn es darum geht, auf der Bühne komplett auszurasten, kommen weder Giant Rooks noch andere Acts auf dem PULS Open Air an den Endboss ran: Leoniden.
Die Band  aus Kiel hat das Geheimrezept entdeckt: Drei Esslöffel aufregende Rhythmen, eine Packung brummender Bässe, zwei Handvoll Sprungkraft und eine gute Prise Indie-Rock.



Zu „Nevermind“ und „Sisters“ hüpfen die Fans dabei mindestens so wild mit wie Lennart Eicke, der Gitarrist. Was natürlich gelogen ist. Niemand springt so wild wie Lennart. Könnt ihr uns jetzt glauben oder die Band auf Tour selbst entdecken, wir behalten auf jeden Fall Recht.



Zur größten Party des Festivals laden am Abend Kitschkrieg ein. Das Produzenten- und DJ-Team aus Berlin ist vor allem für die Produktion von Trettmann, Haiyti und Rapper rund um die 187-Bande bekannt. Genau mit diesen Songs bringen sie die PULS-Gänger*innen zum kollektiven Mitrappen. Der künstlerische Input während des Sets mag sich auf das Drücken des Play-Knopfes (und Abspielen von Background-Visuals) beschränken. Ist aber auch egal. Spaß machts. Jeder Song ein Banger, jeder Song bekannt, jeder Song bringt die Menge mehr zum Abfeieren als der Letzte. Warum auf der Bühne Musik machen, wenn man sie schon vorproduziert hat? Bei Kitschkrieg geht die Strategie auf.



Echte Instrumente sind aber dann doch auch ganz nice. Weiter zu Blood Red Shoes, Garage Rock-Veteranen aus England. Der rawe Sound des Duos erinnert an 2005er Indie-Rock, aus dem es die wenigsten Bands bis 2019 geschafft haben. Blood Red Shoes schon - und das aus gutem Grund. Trotz ihrer Kombination aus Gitarre und Schlagzeug schafft es die Band, nicht langweilig zu werden. Sie müssen sich dafür nicht "neuerfinden", wie so oft von Bands gefordert. Für eine kleine musikalische Überraschung sind Laura-Mary Carter und Steven Ansell aber dennoch gut. Und trotz Jahren im Business: Die beiden haben ihre Passion noch nicht aufgegeben. Im Gegenteil. Es mag wie ein Klischee klingen: Blood Red Shoes zeigen, dass sie immer noch ganz genau wissen, warum sie auf der Bühne stehen: Um Spaß zu haben, abzugehen und ihre Fans zu begeistern. 

 

Das PULS Open Air hat auch 2019 gezeigt, dass es möglich ist, ein starkes Festival Line-Up auf die Bühnen zu bringen und dennoch den Blick auf gesellschaftliche Themen nicht zu verlieren. Gender-Equality, Barrierefreiheit, Liebe zum Detail bei der Planung des Festival(geländes) und großartige Künstler*innen auf der Bühne. Bayern, du kannst so nice sein!



Danke, PULS. Gerne wieder.





Text und Fotos: Lena Völk, Cristina Konrad Daga und Benjamin Brown