Interview mit… Neonschwarz @ Audiolith Horrorfest, 31. Oktober 2014

Zu Beginn erstmal eine Verteidigung: Dass Neonschwarz nicht "all Indie" sind, wissen wir selber. Dass sie richtig gute Musik machen und wahnsinnig interessante Gesprächspartner sind, wisst ihr allerdings vielleicht noch nicht.
Wir haben die Hamburger HipHop Crew beim Audiolith Horrorfest im Erlanger E-Werk getroffen und uns u.a. über Yeti Kostüme, fake Queens-Akzente und die europäische Flüchtlingspolitik unterhalten.
Bei der anfänglichen Frage, ob wir Neonschwarz denn auf Englisch interviewen möchten, packt Johnny Mauser stolz sein Queens-Englisch aus. Um zu verhindern, dass wir in die Aussagen der Band alles mögliche reininterpretieren können, einigen wir uns auf Deutsch. 



IAI: An Abenden wie heute könnte man fast meinen, dass die Welt ein perfekter Ort ist, allerdings läuft ja nicht immer alles optimal. Der Winter geht los, die Tage werden kurz und dunkel, da ist es natürlich praktisch, wenn man gute Wege hat, um sich bei Laune zu halten. Was ist denn der Neonschwarz Tipp für mehr Euphorie an übleren Tagen?
Marie Curry: Selber Glühwein machen - unbedingt mit Weißwein.
Spion Y: Und sehr viel kochen!
Johnny Mauser: Wir selber werden auf Tour gehen, das heißt wir haben eine gute Beschäftigung.
Marie Curry: Yeti Kostüme anziehen macht auch Spaß - und auf eine Hütte fahren!
Spion Y: Schneeballschlachten, bei denen man heimlich kleine Schottersteine in den Schnee mischt.
Marie Curry: Kommt auch drauf an, auf wen man wirft…
Spion Y: … bei Nazis sind auch kleine "Schotterbrocken" erlaubt

IAI: Das neue Album ist vor kurzem rausgekommen und ihr geht bald auf Tour z.T. auch mit Feine Sahne Fischfilet. Wart ihr überrascht von dem Hype um "Fliegende Fische"?
Spion Y: Wir hatten eine ziemlich lange Vorlaufzeit mit Promoterminen, wir haben uns das Ganze gut durchdacht, waren aber trotzdem überrascht, weil wir das so noch nicht erlebt hatten. War aber auch sehr viel Arbeit.
Johnny Mauser: Wir haben uns 2012 gegründet, machen aber schon länger Musik - auch zusammen - deswegen war es nicht so, das wir plötzlich neu auf der Karte aufgetaucht sind.
Marie Curry: Es ist schön zu sehen, dass das Album gut ankommt. Das war aber auch ein Prozess, wir haben mehrere Singles rausgebracht, alles graduell.

IAI: Ihr habt euch mit dem Album auch in den Fokus von denen katapultiert, die nicht zu den typischen Audiolith Hörern zählen. Euer Auftritt bei "Circus HalliGalli" hat beispielsweise dazu beigetragen.
Marie Curry: Wir haben vor der Sendung viel darüber diskutiert, ob wir das machen sollten oder nicht. Unsere Herangehensweise ist aber, dass wir nicht nur im kleinen Kreis bleiben wollen, sondern auch in solche Format gehen, mit dem Ziel viele Leute zu erreichen.

IAI: Kurz davor habt ihr euren Album-Release auf der MS-Stubnitz gefeiert. War das der beste Moment eurer bisherigen Karriere?
Spion Y: Es war 'ne krasse Aktion, war natürlich aber auch sehr viel Arbeit. Wir waren sehr aufgeregt, weil das unsere eigene Party war, es war ein sehr gelungener Abend. Wir hatten die Hosen voll, weil wir an dem Abend zum ersten Mal das neue Album komplett präsentiert haben.
Marie Curry: Also es ist auf jeden Fall in den Top 10 Momenten und war natürlich fantastisch - es war unsere Release Party, sie war ausverkauft und auf einem Schiff. Dass es auf der Stubnitz war, ist auch wichtig, weil die Stubnitz "gefährdeter Raum" ist und wir ein Statement zum Erhalt setzen wollten.

*Captain Gips gesellt sich zu uns*

IAI: Mit '2014' habt ihr einen Track veröffentlicht, der das Thema Asyl in Deutschland anspricht. Meint ihr, dass die aktuelle Stimmungsmache gegen Asylanten in Deutschland ein Problem ist, das bald in den Griff zu kriegen ist?
Marie Curry: Ich denke diese Entwicklung wurde lange unterschätzt und konnte sehr viel Vorlauf genießen. Viele haben unterschätzt, wie sich die rechte Szene entwickelt hat und wie groß die Gefahr ist, die von ihr ausgeht. Wir haben '2014' gemacht, da es wieder immer mehr Übergriffe auf Asylheime gibt und sich unterschwelliger Rassismus in der Gesellschaft durchsetzt.
Captain Gips: Das Problem ist die bürgerliche Mitte, weil wenn die kippt - und die demonstrieren ja aktuell zum Teil schon mit den Nazis - dann wird's wirklich schlimm hier.
Johnny Mauser: Europa schottet sich ab. Wirtschaftlich indem es andere Staaten ausbeutet, was zur Folge hat, dass Flüchtlingsströme in eine Richtung wandern. Solange ein Ungleichgewicht herrscht, werden Flüchtlinge weiterhin kommen, bis strukturelle Veränderungen durchgesetzt werden.


  

IAI: Marie hat ja vorhin schon "gefährdeten Raum" angesprochen. Johnny und Captain Gips, Ihr habt wegen eurem Track "Flora Bleibt" viel Stress bekommen - das Album wurde indiziert. Würdet Ihr "Flora Bleibt" trotzdem wieder veröffentlichen?
Johnny Mauser: Wir müssen natürlich aufpassen, was wir jetzt dazu sagen. Wir dürfen nicht sagen 'Ich würde das wieder so machen', denn wir waren von den Reaktionen doch sehr überrascht. Wir haben uns mit einem Track über linken Freiraum nichts zu Schulden kommen lassen. 'Flora Bleibt' ist draußen, einigen gefällt der Song, anderen nicht.

IAI: Wenn Neonschwarz einen Tag lang Gesetzgeber in Deutschland sein dürfte, was würdet ihr machen?
Marie Curry: Wir würden ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen!
Captain Gips: Wir könnten den Staat auch auflösen.
Spion Y: Die Nationalhymne könnten wir durch "On A Journey" ersetzen.

IAI: Wenn wir schon bei 'On A Journey' sind. Gibt's Pläne für zukünftige 'Journeys' und für Auftritte im nicht-deutschprachigen Ausland? 
Johnny Mauser: Es ist sehr schwierig explizit politische Inhalte in ein anderes Land zu bringen. *Johnny's Queens' English* It's difficult to play shows with Neonschwizzy in places like England and Scotland.
Marie Curry: Es ist schön, Leute international zu erreichen, aber wenn man explizit Sachen ansprechen will ist es in der Muttersprache am leichtesten. Ich singe gerne auf Englisch, schreibe aber lieber auf Deutsch, vor allem wenn es um Herzensangelegenheiten geht. Welche Bands mit deutschen Texten sind denn im Ausland erfolgreich? Rammstein, Scooter?
Johnny Mauser: We shave Ram(m)stein. It refers to the US Military base in Ram(m)stein.

Leider wollte uns Johnny Mauser nicht versprechen, einen zukünftigen Neonschwarz Track 'We Shave Ran(m)stein' zu nennen, wir haben die Hoffnung aber noch nicht ganz aufgegeben.


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Vielen Dank an Theo Ketzscher (Instagram: @theoderketzer)

Benjamin Brown